Am Mittwochmorgen habe ich mich um 07 Uhr mit dem Rucksack wieder auf die Reise gemacht: Mit dem Zug in und durch die Schweiz. Wieder ein bisschen "Retrotour". Ich habe 1989/1990 in Bern Geographie studiert und war damals natürlich auch ab und zu im Land unterwegs, auch in Zermatt, St. Moritz und Grindelwald, um zu wandern, Ski zu fahren oder Drachen-/ Gleitschirmflieger zu begleiten.
Ich habe über ein Reisebüro die Zugfahrkarten und die Hotels gebucht. Das Reisebüro "Zugprofis" hatte ich mal zufällig entdeckt, als ich darüber nachdachte, was ich in meinem Sabbatical so machen könnte. In der Corona-Lage passt jetzt eine Zugreise in der Schweiz gut für mich. Die Fahrkarte ist ein Interrail-Ticket, nennt sich "Globalticket", damit kann ich an zehn Tagen innerhalb von maximal zwei Monaten in Europa reisen, die Reisetage trägt man jeweils ein, das war's. In Deutschland gilt das Ticket nur für die "Ausreise" und die "Rückfahrt". Auf meiner Liste stehen in der Schweiz Zermatt, Grindelwald, mit dem "Glacierexpress" nach St. Moritz, mit dem "Berninaexpress" in Richtung Italien und natürlich Bern. Wie schon bei den anderen Reisen, fahre ich 1. Klasse, das ist leerer und man hat mehr Platz. Ich möchte gern noch von Bern nach Venedig reisen, bevor ich um den 20. September wieder für ein paar Tage nach Hause fahre. Mal sehen, wie gnädig mir die Corona-Göttin dieses Mal ist. Bisher hatte ich ja viel Glück. Die Hinreise ab Potsdam über Berlin, Basel und Bern nach Zermatt lief bis kurz vor Hanau rund, dann bremste uns ein Stellwerkschaden übel aus. Ich erreichte das Hotel Holiday in Zermatt erst um 22:30 Uhr, statt um 19:30 Uhr. Zum Glück war der DB nicht auch noch Essen und Trinken ausgegangen, ich ging also nicht hungrig schlafen, nur platt. Die 6.000 Einwohner Bergtourismusgemeinde Zermatt ist übrigens seit 1931 für den Autoverkehr gesperrt, es fahren Elektroautos der Hotels, Handwerker oder als Taxis und natürlich inzwischen auch e-bikes.

Am Donnerstag fuhr ich morgens gegen 10:45 Uhr mit den Gornergrat-Bahn, einer elektrischen Zahnradbahn, die 1889 eröffnet wurde, hoch auf den Berg. Ich hatte im Hotel erfahren, dass alle Menschen, die zwischen 01.03. und 20. 06.2020 Geburtstag hatten diesen Sommer und Herbst (bis 30.11.) eine Freifahrt bekommen. Ich glaube ohne das Angebot wären mir 105 Franken- also etwa 100 Euro- zu viel gewesen. Die 9 km-Fahrt von 1.604 auf 3.089 Meter dauert etwa 20 Minuten und ist echt spektakulär, die Steigung beträgt bis 20% und man hat einen tollen Blick aufs Matterhorn. Auch wenn es oben-selbst ohne asiatische Touristen-voll war, war der Ausblick auf die beiden Gletscher, das Matterhorn und die anderen Berge drumrum beeindruckend. Der Grenzgletscher und der Gornergletscher bildeten bis zum Sommer 2019 noch ein Gletschergebiet, weil sie direkt "zusammenflossen". Bis dahin war das der zweitgrößte Gletscher der Alpen nach dem Aletsch-Gletscher. Jetzt sind es zwei Gebiete und der eigentliche Gornergletscher endet deutlich höher. Ich wanderte oben etwas herum und dann runter zu den beiden Seen, in denen sich der "Toblerone"-Berg spiegelt. Die Sonne schien, die Luft war klar und manchmal bildete sich die am Matterhorn typische Wolkenfahne. Es war so schönes Wetter, dass ich mich entschied ganz zu Fuss abzusteigen. Es wurde abseits der Seilbahnstationen deutlich leerer. Die Tour war schön, auch wenn die insgesamt um die 1.500 Höhenmeter mächtig auf die Knie gingen. Ich ließ mir Zeit und badete zwischendurch die Füße im Eiswasser des Gornergletschers. Kurz bevor ich an den Aussenregionen von Zermatt ankam, gab es noch den Gornerbach über eine Hängebrücke zu queren. Das ist auch nichts für jedeN. Im Hotel badete ich ausgiebig, nachdem ich Rösti und Bier zum "Nachtessen" hatte. Ich war zuletzt im Sommer 1989 in Zermatt, wir wanderten hoch in Richtung Matterhorn, parallel zur Seilbahn zum Schwarzsee. Damals entstand der Vorsatz nie wieder auf einen Berg zu wandern, wenn es auch eine technische Lösung nach oben gibt. Da kommst du nach drei, vier Stunden verschwitzt oben an und die anderen steigen entspannt aus der Seilbahn und machen sich für ein Stündchen zu den wirklich spektakulären Ausblicken auf.

Heute nahm ich den Zug runter ins Tal, um über Interlaken nach Grindelwald zu fahren. Ich fuhr nur auch bewusst durch den "neuen" Lötschberg-Basistunnel. Am Mittwoch auf dem Hinweg war es ja schon dunkel. Der Bahntunnel gehört zum schweizer Bahn- Großprojekt der "Neuen Eisenbahn-Alpentransversale", kurz NEAT. Die politischen Entscheidungen zwei leistungsfähige Nord-Süd- Bahntunnel zu bauen, um eine Verlagerung des Schwerverkehrs von der Strasse auf die Schiene zu erreichen, wurde in den 1990ern getroffen. Ich erinnere mich noch an die ersten konkreteren Diskussionen in den 1980ern. Dabei wurden neue Basistunnel am Lötschberg und am Gotthard sowie eine Reihe anderer Verbesserungen diskutiert. Es gab zwei eidgenössische Volksabstimmung zu den Einzelprojekten: 1992 und 1998. Der Lötschberg-Basistunnel (34,6 km) ging 2007 in Betrieb. Der Gotthard-Basistunnel, mit 57 km der längste Eisenbahntunnel der Welt, ging 2016 in Betrieb. Der Eurotunnel nach England hat übrigens 50 km Länge. Im Dezember 2020 wird mit dem Ceneri-Basistunnel der letzte Abschnitt der NEAT in Betrieb genommen. Es erfolgten auch seit den 1990ern konkrete Absprachen mit Deutschland zur Verbesserung der wichtigen Güterverkehrsverbindungen von den Nordseehäfen durch das Rheintal. Im Vertrag von Lugano sicherte Deutschland 1996 zu, die 182 Kilometer lange Strecke Basel– Karlsruhe auf vier Gleise zu erweitern. In Betrieb sind davon bis heute 44 km zwischen Baden-Baden und Offenburg und 17,6 Kilometer nördlich von Basel. In Deutschland geht man von einer Fertigstellung der Gesamtstrecke bis 2040/41 aus. Echt peinlich!

In Grindelwald machte ich mich gleich über die Seilbahn zum Pfingstegg zum Grindelwald-Gletscher auf den Weg. Ich wollte sehen, wie viel vom "Oberen Gletscher" noch übrig ist. 1989 war ich noch in einer Eisgrotte in der Gletscherzunge, die war 1994 beim letzten Besuch schon weg, jetzt ist kein Eis im Tal mehr zu sehen. In seinem Hochstadium während der Kleinen Eiszeit (um 1850) reichte bis auf 1180 m ü. M. hinunter und endete gegenüber dem Grindelwalder Hotel Wetterhorn. Heute sieht man den Gletscher nur noch aus der Ferne auf etwa 2.000 Metern. Ich war sehr bedrückt, nie hätte ich gedacht, dass sich Klimawandel so schnell zeigt, früher dauerten Klimawechsel hunderte oder tausende Jahre, wir verändern die Welt in Jahrzehnten. Es geht Hüne nicht nur um ein paar Kubikmeter mehr oder weniger Eis, es geht um Quellgebiete der Flüsse: Der Grindelwaldgletscher speist die Aare, die wiederum in den Rhein fließt. Ich habe Fotos aus 1989 zum Vergleich mit dem Bild von heute gefunden, sie stammen von Dr. Hanspeter Holzhauser vom Geographischen Institut der Uni Bern.
Heute Abend habe ich meinen Rucksack wieder gepackt, morgen geht es mit dem Glacierexpress über Chur nach St. Moritz, das Wetter ist immer noch schön, so dass es bestimmt eine eindrückliche Fahrt wird, wie die Schweizerin sagen würde.
Kurz vor dem Ende der Ausstellung am 6. September war ich vor meiner Abreise auch endlich im Potsdam Museum, um mir die Bilder des Impressionisten Karl Hagemeister - und ein paar anderen aus der Zeit um 1890/1910 - anzuschauen. Hagemeister wurde 1848 in Werder (Havel) geboren und starb dort 1933. Er wurde in den Jahren 1871-1873 im Atelier von Friedrich Preller an der Fürstlichen freien Zeichenschule in Weimar zum Maler ausgebildet, reiste dann etwas herum (u.a. München, Brüssel, Amsterdam, Venedig) und kam Ende der 1870er wieder nach Werder zurück, wo er die meiste Zeit seines Lebens lebte. 1883/1884 war er in Frankreich und lernte verschiedene Impressionisten kennen. Im Jahr 1898 gründete Hagemeister zusammen mit einigen Kollegen, darunter Max Liebermann, die Berliner Secession. In Anerkennung seines künstlerischen Schaffens wurde Hagemeister mit 75 Jahren 1923 als ordentliches Mitglied der Akademie der Künste aufgenommen. In der Ausstellung sind 70 Bilder von Karl Hagemeister zu sehen, viele märkische Landschaften, auch Seerosen (1902), aber auch große Wellenbilder, die auf Rügen entstanden. Weiterhin 18 Gemälde anderer Künstler, wie Friedrich Preller, Max Liebermann, Lovis Corinth, Max Slevogt oder Walter Leistikow.
Am letzten Samstag waren wir außerdem auch wieder mal in Berlin unterwegs, dieses Mal in Friedrichshain, inklusive Besuch am Märchenbrunnen.
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