Donnerstag, 24. September 2020

🇩🇪 Kaum da schon wieder weg!

Am Montagmorgen fuhr der Schnellzug gegen 07:20 Uhr in Venedig ab. Ich war zu Fuß zum Bahnhof gegangen, da ich früh wach war. Erstens schlafe ich immer schlecht, wenn ich per Wecker zu einer ungewohnten Zeit geweckt werden muss und zweitens nervte mindestens eine Mücke kolossal. Es war schön durch die Morgendämmerung zu spazieren.

Es ging erst wieder im Hochgeschwindigkeitszug der Trenitalia von Venedig nach Verona und von dort mit dem italienisch-österreichisch-deutschen „Eurocity“ Bologna-München (EC 88) über die Brennerbahn. Die Strecke der Brennerbahn wurde von 1864 bis 1867 von der k.k. priv. Südbahngesellschaft als Teil der Verbindung von Kufstein nach Ala und weiter in Richtung Verona gebaut. Sie quert den Alpenhauptkamm und führt über Bozen und den Brennerpass nach Innsbruck. Die Stecke ist auf italienischer Seite mit Gleichstrom, auf österreichischer Seite mit Wechselstrom elektrifiziert. Die eingesetzte Mehrsystemlok wechselt die Stromversorgung im Bahnhof Brenner/ Brenero. Es ging im Trentino und in Tirol durch eine Vielzahl von Tunneln. Der Schlern-Tunnel (italienisch Galleria Sciliar) zwischen Waidbruck und Blumau im Eisacktal  ist mit gut 13 km der längste davon. Er ist seit 1994 in Betrieb. Dieser und weitere Tunnel haben die Zugstrecke sicherer und die Strecke für Huckepackzüge und Rollende Landstraßen befahrbar gemacht. Seit 2007 wird außerdem am Brennerbasistunnel gebaut, der wird als österreichisch- italienisches Projekt von Innsbruck bis nach Franzensfeste 55 km lang sein. Geplant ist die Inbetriebnahme für das Jahr 2028. Parallel sind weitere Zulaufstrecken auf der Südrampe der Brennerbahn geplant, darunter etwa Tunnel auf der Strecke Franzensfeste – Waidbruck. Es wundert sicherlich niemanden wirklich, dass Deutschland auch bei der Verbesserung der Schienenverbindungen durch Bayern zum Brenner hinterherhinkt, analog zur Situation bei der Anbindung in Richtung  Gotthard-Tunnel in der Schweiz. Zur Erinnerung: Der Staatsvertrag zum Ausbau der Rheintalbahn zum Gotthard stammt von 1996, Erfüllung eventuell bis 2035. Aktuell ist die Verspätung am Brenner geringer, aber das kann ja noch werden. Der Staatsvertrag über den sog. Nordzulauf stammt von 2012, das Raumordnungsverfahren wurde im August 2020 abgeschlossen, die Vorzugsvariante soll bis Anfang 2021 gefunden sein. Dann kommen die konkreten Baugenehmigungen, Klagen, Ausschreibungen, ggf. Klagen der nicht berücksichtigten Baufirmen und irgendwann der Bau, zwischendurch ein paar Debatten über steigende Kosten. Ich finde im www keinen geplanten Fertigstellungstermin ... ach, wäre Elon Musk doch nur im Eisenbahngeschäft. 

Von München nahm ich den ICE nach Berlin über die Bahntrasse Nürnberg- Erfurt- Leipzig. Die Neubaustrecke Erfurt– Leipzig wurde für 300 km/h ausgebaut und im Dezember 2017 eingeweiht. Damit verkürzte sich die Fahrzeit München-Leipzig-Berlin für die gut 620 Schienenkilometer von sechs auf 4 1/2 Stunden. Die Investitionskosten lagen  bei rund 10 Milliarden Euro. Das Projekt umfasste den Bau von 37 Brücken und 27 Tunnel. Die Saale-Elster-Brücke ist mit 8.600 Metern nicht nur die längste Brücke des Projekts, sondern auch die längste Talbrücke Deutschlands. Der längste Tunnel des Projekts ist der Bleßbergtunnel (8.314 Meter). Er ist der viertlängste „aktive“ Bahntunnel in Deutschland und quert den Hauptkamm des Hohen Thüringer Schiefergebirges, wo auch der berühmte Rennsteig liegt. 

Im Vergleich waren die Covid-19 Schutzmaßnahmen in den italienischen Bahnhöfen und Zügen am ernsthaftesten und professionellsten mit Fiebermessen per elektronischem Thermometer bzw. mit Wärmebildkameras an den Zugängen, Einbahnverkehr in den Bahnhöfen und in den Zügen sowie Masken- und Desinfektionsmittelausgabe im Zug. Die ÖBB verteilte noch Desinfektionstücher im Zug. In München kontrollierte Polizei im Bahnhofsgebäude die Maskenpflicht. Übrigens: Die deutsche Corona-Warn-App hat bislang keine „Schnittstelle“ zu denen in Italien oder der Schweiz. 

Noch ein Rückblick nach Italien: Die Verkleinerung der Parlamente wird kommen.  70 Prozent der Italiener haben der Reduktion der Zahl der Abgeordneten von 630 auf 400 und der Senatoren von 315 auf 200 zugestimmt. Bei den Regionalwahlen ging es 3:3 aus, drei Regionen bleiben „rot“ (Toskana, Kampanien, Apulien), die drei anderen bekommen wieder rechtspopulistische und europafeindliche Präsidenten (Veneto, Ligurien, Marken). Damit wurde das Ziel des rechten, ehemaligen Ministerpräsidenten Salvini „6:0, dann Neuwahlen“ nicht erreicht. 

Wieder zu Hause standen erst mal so allgemeine Tätigkeiten wie Wäschewaschen und Post an. Ich genoss aber auch die schöne, sonnige Zeit. Am Mittwoch war ich morgens im See schwimmen, wahrscheinlich das letzte Mal in diesem Jahr. Danach schaute ich mir die Ausstellungen zu 30-Jahren-Deutsche Einheit in Potsdam an, die dieses Jahr über einen ganzen Monat läuft und aus unbelebten „Ausstellungscontainern“ der Bundesländer und Institutionen besteht. Manches fand ich ganz interessant, manches war aber auch eher lieblos in die Gegend gestellt. Ich fuhr zum dritten Mal in diesem Jahr mit einem Riesenrad. 
In den anderen Jahren gab es in einem der 16 Bundesländer ein Volksfest am 3. Oktober, das ging dieses Jahr nicht. Auch der „Festakt“ am 3.Oktober wird sehr klein, wo sonst über tausend Leute aus Politik und Gesellschaft zusammenkommen, werden es dieses Jahr 200. Ich beneide die Kolleg*innen nicht die Einladungsliste nicht so stark einkürzen und hunderten „Gewohnheits-VIP “ absagen zu müssen. 

Heute genoss ich noch etwas den letzten Sonnentag und packte den Rucksack wieder für eine Reise zur Loreley. Ich werde nun endlich einen praktischen Einsatz in der Landwirtschaft haben, wie ich es ursprünglicher  im Sabbatical mehrmals machen wollte. Es geht morgen früh per Zug über Frankfurt (Main) nach St. Goarshausen und dann auf einen Hof in der Gemeinde Bornich im Rhein-Lahn-Kreis in Rheinland-Pfalz. 


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