Als ich neulich den „Zauberberg" von Thomas Mann las, habe ich die Gedanken von Hans Castorp zur „Zeit“ mit Interesse gelesen. Die Wahrnehmung von Zeit, das kennen wir alle, ändert sich jeden Tag, jede Woche, jedes Jahr: Manchmal zieht sie sich scheinbar endlos hin, manchmal rennt sie uns weg, je älter ich werde, desto schneller vergeht sie, manchmal finde ich das das gut, manchmal eben nicht - wie sagt Paulchen Panther „Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät?“ Mein Sabbatical dauert erst neun Wochen, die mir viele neue Erfahrungen gebracht haben, nicht alle waren so geplant, wie bei allen von uns. Ich habe noch 25 Wochen vor mir.
Meine Tage sind nicht so strukturiert wie in der Lungenklinik in Davos, in der Hans Castorp sieben Jahre verbracht hat und ich habe auch nie das Ziel gehabt den Tagen eine feste Struktur zu geben, denn dann wäre es ja fast kein Unterschied zu sonst. Trotzdem gibt es natürlich auch Dinge, die ich täglich oder zumindest regelmäßig mache: morgendliche 10 Minuten Yoga- und Bewegungsübungen, Rennen im Park oder im Wald, Einkauf, Essen zubereiten, Lesen, Musik oder Radio hören. Manchmal auch einfach nichts tun, sitzen und schauen.
Zum ersten Mal habe ich in der letzten Woche Bärlauchpesto gemacht. Im Park Sanssouci gibt es eine große Fläche mit Bärlauch. In den letzten Jahren war sie oft abgeerntet, dieses Jahr zum Glück nicht. Ich habe rund 300 Gramm geerntet, gewaschen, mit gerösteten Walnüssen, Grana Padano und Walnussöl püriert. Sehr lecker.
In der vergangenen Woche war ich außerdem beim Arzt zum jährlichen Check-up, alles gut, weiterhin bin ich eine „gute Gebrauchte“ mit ein paar Abnutzungserscheinungen. Leider nervt ein leichter Tinnitus seit ein paar Wochen: Kaum haste Zeit, kommen die Zipperlein! Nun gibt es Physio für Halswirbelsäule und Nacken, morgen noch einen Termin beim HNO und ich hoffe, der leise Dauerton verschwindet bald. Ich würde so gern mal wieder gar nichts hören. Nächste Woche noch zur Mammographie, dann ist die jährliche medizinische to-do-Liste abgearbeitet.
Mein nächstes Reiseziel ist meine Geburtsstadt Hagen: Als ich neulich aus der Eifel kam, hatte ich Lust mal wieder zu schauen, was sich verändert hat und was noch ist wie es war.
Im Juni möchte ich dann gern wieder meine Hilfe anbieten, um neue Menschen, Projekte und Gegenden in Deutschland kennenzulernen. Gern würde ich auch mal ins Ausland, nach Brüssel, Paris, London oder Wien, aber da muss ich mich wohl weiterhin gedulden. Ich hoffe natürlich weiterhin, dass die Quarantäne-Regeln noch während meines Sabbaticals aufgehoben werden. Es ist mir aber auch klar, dass sich die "Corona-Lage" vernünftig einpendeln muss. Dabei geht es eben nicht um mich als Individuum, sondern um das Gesamtbild in Deutschland, Europa und der Welt. Natürlich würde ich meine persönliche Gesundheit gern zum Maßstab der Freizügigkeit machen, aber ich bin eben doch nicht das Zentrum der Aufmerksamkeit. Vielleicht ist das auch ein Erklärungsversuch für manche Geschichten und Verschwörungstheorien, die gerade kreisen, es geht eben nicht um mich, sondern um eine Gemeinschaft von Menschen. Natürlich kann man misstrauisch sein, dass der reiche Bill Gates sich für die Entwicklung eines Impfstoffs engagiert, aber beim Dreh zu Impfpflicht für alle mit gleichzeitiger Injektion eines Chips steige ich verstandesmäßig aus. Man kann Mäzenatentum kritisieren, ich denke aber auch daran, dass es so manches nicht gäbe, ohne privates Engagement wohlhabender Leute, z.B. die Stadttheater des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und viele Museen, auch das Barberini in Potsdam. Menschlich bedauerlich ist für mich der Wandel von Attila Hildmann, veganer Koch und Gesundheitsberater, zum selbsternannten "Rebellen". Er sieht jetzt eine Diktatur, die im Schatten der Corona-Maßnahmen vorbereitet wird und will notfalls aus dem Untergrund dagegen kämpfen. Genie und Wahnsinn liegen oft nah, nun dominiert wohl der Wahnsinn. Er war mit seinem Marketing immer etwas schräg, das Konzept dahinter aber nachvollziehbar, die Produkte gut und lecker. Attila Hildmann hat den Blick auf vegane Ernährung und Produkte positiv verändert: Veganes Essen ist gesund, lecker und macht Spaß. Auch unser Speisezettel wurde von ihm beeinflusst. Nun bin ich aber raus aus seiner Welt und kann nach vollziehen, dass Firmen wie Vitalia, Voelkel und Kaufland die Zusammenarbeit aufkündigen.
Ich wünsche euch eine gute Woche, bleibt gesund.
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