Ăbrigens haben wir eine praktische App der Berliner Tourismusorganisation visitBerlin entdeckt: „ABOUT BERLIN“. Ein gibt Routen und ein paar Informationen zu interessanten Orten in der Stadt, das Angebot wĂ€chst stetig.
Am Freitag fuhren wir zur GedenkstĂ€tte Sachsenhausen in Oranienburg. Das Konzentrationslager Sachsenhausen war das erste KZ, das durch einen SS-Architekten geplant wurde. Der SS-Architekt Bernhard Kuiper entwarf ein gleichseitiges Dreieck, in dessen FlĂ€che sich das HĂ€ftlingslager, die Kommandantur sowie das SS-Truppenlager befand. Hierhin wurden zwischen 1936 und 1945 etwa 200.000 HĂ€ftlinge aus ca. 40 Nationen deportiert. Erst politische Gegner des NS-Regimes, dann in immer gröĂerer Zahl Angehörige der von den Nationalsozialisten als rassisch und/oder sozial minderwertig erklĂ€rten Gruppen, also Juden, Homosexuelle, Sinti und Roma, weiterhin Zeugen Jehovas und ab 1939 auch Menschen der von den Nazis besetzten Staaten wie Ăsterreich, Polen, Frankreich oder den Niederlanden. Zu den HĂ€ftlingen gehörten der SPD-Politiker Rudolf Breitscheid, der Hitler-AttentĂ€ter Georg Elser, der Journalist Gerhard Löwenthal (ZDF-Magazin), der Verleger Peter Suhrkamp, der polnische Schriftsteller Andrzej Szczypiorski und Martin Niemöller (1938 bis 1941) als „persönlicher Gefangener“ Hitlers als einer von inhaftierten 230 Geistlichen. Niemöller schrieb spĂ€ter „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ Zu den HĂ€ftlingen gehörten auch protestantische Widerstandsfrauen aus den Niederlanden und mehrere tausend katholische Laien der französischen RĂ©sistance. Die HĂ€ftlinge wurden zur Zwangsarbeit in der Schneiderei, Tischler-, Schlosser- und ElektrikerwerkstĂ€tten eingesetzt oder ab 1942 in den ĂŒber 100 Aussenlagern und -kommandos bei den Heinkel-Werken in Oranienburg, der Veltener Maschinenbau oder bei Berliner Industriebetrieben wie Siemens, DEMAG-Panzer, Henschel-Werke Berlin, Daimler-Benz, I.G. Farben und AEG sowie BRABAG Schwarzheide. Zehntausende HĂ€ftlinge starben an den Folgen von Hunger und Gewalt im KZ. ArbeitsunfĂ€hige wurden in Sammeltransporten nach Auschwitz transportiert oder vor Ort ermordet. Es gab so absurde Dinge, wie eine SchuhprĂŒfstrecke: Hier testeten HĂ€ftlinge Sohlenmaterial fĂŒr die deutsche Leder- und Schuhindustrie, dazu mussten sie bis zu 40 Kilometer tĂ€glich auf verschiedenen WegoberflĂ€chen marschieren. Im August 1941 wurden ĂŒber 12.000 sowjetische Kriegsgefangene in einer neu eingerichteten Genickschussanlage getötet, ab 1942 gab es eine Gaskammer. Die RĂ€umung des KZ Sachsenhausen durch die SS begann am 21. April 1945. Die verbliebenen 33.000 HĂ€ftlinge wurden in Gruppen zu 500 auf den Todesmarsch nach Nordwesten geschickt. Ab August 1945 wurde das GelĂ€nde des KZ Sachsenhausen von der Sowjetischen MilitĂ€radministration (SMAD) als „Speziallager Nr. 7“ genutzt, es wurden Sozialdemokraten, NS-FunktionĂ€re und Gegner der neuen politischen Ordnung interniert. Ende 1945 war das Lager wieder voll belegt (12.000 Personen), 1946 mit bis zu 16.000 Personen, unter ihnen der Schauspieler Heinrich George, der hier auch 1946 starb. Die DDR schloss das 1948 in „Speziallager Nr. 1“ umbenannte Lager im Jahr 1950 als letztes der Speziallager, es wurden ca. 8000 HĂ€ftlinge entlassen, eine kleinere Gruppe in die Sowjetunion transportiert. Der Besuch hinterlĂ€sst mich wieder erschĂŒttert, was Menschen anderen Menschen antun, wenn es in eine fĂŒr sie nachvollziehbare Ideologie eingebettet ist. Der Besuch macht mich auch wieder nachdenklich, warum es immer wieder solche Menschenverachtung gibt, Menschen so viel Hass oder emotionale KĂ€lte entwickeln können.In der Zeit von 01.03. bis 31.10.2020 habe ich eine lange Auszeit von der Arbeit. Acht Monate frei. Ich lade dich ein, mich in dieser Zeit zu begleiten.
Freitag, 16. Oktober 2020
đ©đȘ AusflĂŒge nach Berlin und Oranienburg
Am Montag unternahmen wir einen Ausflug nach Lichtenberg. Zuerst besuchten wir den Zentralfriedhof Friedrichsfelde von 1881, wo auch die GedenkstĂ€tte der Sozialisten mit den GrĂ€bern von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Ernst ThĂ€lmann, Otto Grotewohl, Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht ist. Daneben steht seit 2006 ein Gedenkstein mit der Aufschrift „Den Opfern des Stalinismus“. Es gibt weiterhin Gedenktafel mit den Namen der Toten und Ermordeten aus der Weimarer Republik, aus dem spanischen BĂŒrgerkrieg und dem antifaschistischen Widerstand 1933–1945. Begraben sind auf dem Friedhof der SPD-GrĂŒnder Wilhelm Liebknecht (1900), KĂ€the Kollwitz (1945) sowie Konrad (1982) und auch Markus Wolf (2006), dem ehemaligen Chef (1952-1986) der „Hauptverwaltung AufklĂ€rung“, dem Auslandsgeheimdienst der DDR. Vom Friedhof spazierten wir nach Norden in den heutigen Landschaftspark Herzberge, einem ehemaligen Rittergut von Hermann Roederder, das spĂ€ter zum Gut der StĂ€dtischen Irrenanstalt Herzberge wurde. Es waren landwirtschaftliche Anbau- und WeideflĂ€chen sowie WerkstĂ€tten, in denen auch Patient*innen arbeiteten. Im Laufe der Zeit Ă€nderten sich die Nutzungen der FlĂ€chen und GebĂ€ude, die Strassenbahntrasse wurde bis Marzahn verlĂ€ngert. Die ehemaligen landwirtschaftlichen FlĂ€chen wurden zum VEG Gartenbau, das 1981 eine groĂflĂ€chige GewĂ€chshausanlage errichtete. Das VEG Gartenbau gab nach der Wende schrittweise die Bewirtschaftung auf. Das GelĂ€nde wurde bis Ende der 1990er Jahre von Folgefirmen genutzt und stand dann leer. Die Agrarbörse Deutschland Ost e. V. initiierte ab 2004 zusammen mit dem Bezirksamt Lichtenberg eine Reihe geförderter Projekte zur naturnahen Entwicklung des Gebiets zu einem Modellvorhaben urbaner Landwirtschaft. Die wirtschaftliche Nutzung erfolgt durch Gartenbau, umweltvertrĂ€gliche Fischzucht, Bienenvölker, Streuobstwiesen und extensive Beweidung der FlĂ€chen mit Rauhwolligen Pommerschen Landschafen. Die vorhandenen FunktionsgebĂ€ude wie das Heizhaus und die Garagen des VEG Gartenbau werden jetzt teilweise durch die „StadtFarm“ als Lager- und BetriebsflĂ€chen inklusive Fischzucht genutzt. Daneben sind die FlĂ€chen attraktive Ziele fĂŒr die Naherholung. Das gesamte GelĂ€nde wurde 2007 zum Landschaftspark Herzfelde, im Jahr 2019 zum Landschaftsschutzgebiet. Der ehemalige Rangierbahnhof „Anschluss Roeder“ wurde 2011/2012 abgerissen. Auf dem GelĂ€nde des alten Lichtenberger Stadions wurde im September 2013 eine weitere WeideflĂ€che fĂŒr die Schafe erstellt. Nördlich schlieĂt sich dann das Evangelische Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH) an. Es wurde 1992 aus dem Königin-Elisabeth-Hospital in Oberschöneweide und dem Fachkrankenhaus fĂŒr Neurologie und Psychiatrie Berlin-Lichtenberg gegrĂŒndet. Es ist heute ist ein Krankenhaus der Notfall- und Regelversorgung. Das war nicht immer so. Am Standort in Lichtenberg entstand 1893 die II. StĂ€dtische Irrenanstalt fĂŒr 1050 erwachsene Patient*innen. In der nationalsozialistischen Zeit wurden hier Menschenversuche unternommen, viele Patient*innen bis 1942 getötet. Als „StĂ€dtisches Krankenhaus“ bestand es bis 1945, nach Kriegsende wurde es als Allgemeinkrankenhaus weitergefĂŒhrt. Im Jahr 1946 kamen die Patient*innen des Königin-Elisabeth-Hospitals hinzu, nachdem sie im November 1945 von der Roten Armee am Standort Oberschöneweide ausgewiesen worden waren. Das Königin-Elisabeth-Hospital wurde benannt nach Elisabeth Ludovika, Ehefrau von Friedrich Wilhelms IV. und Tante von Kaiserin Elisabeth („Sisi“) von Ăsterreich. Königin Elisabeth unterstĂŒtzte ab 1838 die GrĂŒndung von Kleinkinder-Bewahranstalten, aus denen ab 1844 am Halleschen Tor (PionierstraĂe 7a) das Elisabeth-Kinder-Hospital (EKH) mit 60 Betten wurde. Ab etwa 1875 kam eine kostenfreie ambulante chirurgische und Augen-Behandlung hinzu. Im Jahr 1887 zog das Krankenhaus um zur Hasenheide 80– 87, dort gab es Platz fĂŒr bis zu 90 Kindern. Das Hospital entwickelte sich zu einem bekannten eigenstĂ€ndigen Kinderkrankenhaus in Berlin. Als Filiale des EKH wurde am 7. Juli 1890 in DĆșwirzyno (Kolberger Deep) ein Kinder-Seehospiz eingeweiht, das fĂŒr die Aufnahme von Kindern ĂŒberwiegend aus Berlin bestimmt war. Es folgte 1908 die GrĂŒndung einer Krankenpflegeschule und 1908-1910 der EKH-Neubau mit 130 Betten in der Treskowallee in Oberschöneweide fĂŒr Kinder und Erwachsene (Chirurgie, Innere). Am 8. Mai 1945 wurde ein Teil des Krankenhauses von der Roten Armee besetzt und dann als Lazarett genutzt. Im November 1945 erfolgte die Ausweisung der bisherigen Patient* innen.Am Mittwoch besuchten wir das Museum Berggruen in Charlottenburg, gegenĂŒber vom Schloss in einem der beiden „StĂŒlerbauten“, die 1851-59 als Offiziers-Kasernen der Gardes du Corps von Friedrich Wilhelm IV. von August StĂŒler erbaut wurden. In dem einen GebĂ€ude war 1967 bis 2005 das Ăgyptische Museum, in dem anderen 1960 bis 1995 die „westliche“ Antikensammlung , beide sind heute auf der Museumsinsel. In das GebĂ€ude der Antikensammlung zog spĂ€ter die Sammlung von Heinz Berggruen ein. Der Sammler und KunsthĂ€ndler wurde in Wilmersdorf geboren und emigrierte 1936 in die USA, seine deutsche StaatsbĂŒrgerschaft wurde ihm entzogen. Er kĂ€mpfte im 2. Weltkrieg in der US Armee fĂŒr die Befreiung Deutschlands. Er lebte danach als KunsthĂ€ndler in Paris bis er 1996 seine groĂe Sammlung mit mehr als 100 Picassos, 60 Bildern von Paul Klee und 20 von Matisse der Stiftung PreuĂischer Kulturbesitz verkaufte und dann auch wieder selbst in Berlin lebte. Das Museum Berggruen beheimatet neben Picasso, Klee und Matisse auch Werke von Alberto Giacometti, Paul CĂ©zanne und Georges Braque. SpĂ€ter spazierten wir noch durch Zilles Kiez zwischen Schlossstrasse und Klausener Platz. Eine Neuentdeckung fĂŒr mich war der Ziegenhof in der Danckelmannstrasse. Ein Projekt, das 1982 auf einer FlĂ€che gestartet wurde, die eigentlich fĂŒr einen Neubau im Block 128 „entkernt“ worden war. Heute leben dort Ziegen, HĂŒhner und Bienen, es gibt Hochbeete, eine Kita und einen Spielplatz.
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