Am Montag unternahmen wir einen Ausflug nach Lichtenberg. Zuerst besuchten wir den
Zentralfriedhof Friedrichsfelde von 1881, wo auch die Gedenkstätte der Sozialisten mit den Gräbern von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Ernst Thälmann, Otto Grotewohl, Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht ist. Daneben steht seit 2006 ein Gedenkstein mit der Aufschrift „Den Opfern des Stalinismus“. Es gibt weiterhin Gedenktafel mit den Namen der Toten und Ermordeten aus der Weimarer Republik, aus dem spanischen Bürgerkrieg und dem antifaschistischen Widerstand 1933–1945. Begraben sind auf dem Friedhof der SPD-Gründer Wilhelm Liebknecht (1900), Käthe Kollwitz (1945) sowie Konrad (1982) und auch Markus Wolf (2006), dem ehemaligen Chef (1952-1986) der „Hauptverwaltung Aufklärung“, dem Auslandsgeheimdienst der DDR. Vom Friedhof spazierten wir nach Norden in den heutigen Landschaftspark Herzberge, einem ehemaligen Rittergut von Hermann Roederder, das später zum Gut der Städtischen Irrenanstalt Herzberge wurde. Es waren landwirtschaftliche Anbau- und Weideflächen sowie Werkstätten, in denen auch Patient*innen arbeiteten. Im Laufe der Zeit änderten sich die Nutzungen der Flächen und Gebäude, die Strassenbahntrasse wurde bis Marzahn verlängert. Die ehemaligen landwirtschaftlichen Flächen wurden zum VEG Gartenbau, das 1981 eine großflächige Gewächshausanlage errichtete. Das VEG Gartenbau gab nach der Wende schrittweise die Bewirtschaftung auf. Das Gelände wurde bis Ende der 1990er Jahre von Folgefirmen genutzt und stand dann leer. Die
Agrarbörse Deutschland Ost e. V. initiierte ab 2004 zusammen mit dem Bezirksamt Lichtenberg eine Reihe geförderter Projekte zur naturnahen Entwicklung des Gebiets zu einem Modellvorhaben urbaner Landwirtschaft. Die wirtschaftliche Nutzung erfolgt durch Gartenbau, umweltverträgliche Fischzucht, Bienenvölker, Streuobstwiesen und extensive Beweidung der Flächen mit Rauhwolligen Pommerschen Landschafen. Die vorhandenen Funktionsgebäude wie das Heizhaus und die Garagen des VEG Gartenbau werden jetzt teilweise durch die „
StadtFarm“ als Lager- und Betriebsflächen inklusive Fischzucht genutzt. Daneben sind die Flächen attraktive Ziele für die Naherholung. Das gesamte Gelände wurde 2007 zum Landschaftspark Herzfelde, im Jahr 2019 zum Landschaftsschutzgebiet. Der ehemalige Rangierbahnhof „Anschluss Roeder“ wurde 2011/2012 abgerissen. Auf dem Gelände des alten Lichtenberger Stadions wurde im September 2013 eine weitere Weidefläche für die Schafe erstellt. Nördlich schließt sich dann das Evangelische Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH) an. Es wurde 1992 aus dem Königin-Elisabeth-Hospital in Oberschöneweide und dem Fachkrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie Berlin-Lichtenberg gegründet. Es ist heute ist ein Krankenhaus der Notfall- und Regelversorgung. Das war nicht immer so. Am Standort in Lichtenberg entstand 1893 die II. Städtische Irrenanstalt für 1050 erwachsene Patient*innen. In der nationalsozialistischen Zeit wurden hier Menschenversuche unternommen, viele Patient*innen bis 1942 getötet. Als „Städtisches Krankenhaus“ bestand es bis 1945, nach Kriegsende wurde es als Allgemeinkrankenhaus weitergeführt. Im Jahr 1946 kamen die Patient*innen des Königin-Elisabeth-Hospitals hinzu, nachdem sie im November 1945 von der Roten Armee am Standort Oberschöneweide ausgewiesen worden waren. Das Königin-Elisabeth-Hospital wurde benannt nach Elisabeth Ludovika, Ehefrau von Friedrich Wilhelms IV. und Tante von Kaiserin Elisabeth („Sisi“) von Österreich. Königin Elisabeth unterstützte ab 1838 die Gründung von Kleinkinder-Bewahranstalten, aus denen ab 1844 am Halleschen Tor (Pionierstraße 7a) das Elisabeth-Kinder-Hospital (EKH) mit 60 Betten wurde. Ab etwa 1875 kam eine kostenfreie ambulante chirurgische und Augen-Behandlung hinzu. Im Jahr 1887 zog das Krankenhaus um zur Hasenheide 80– 87, dort gab es Platz für bis zu 90 Kindern. Das Hospital entwickelte sich zu einem bekannten eigenständigen Kinderkrankenhaus in Berlin. Als Filiale des EKH wurde am 7. Juli 1890 in Dźwirzyno (Kolberger Deep) ein Kinder-Seehospiz eingeweiht, das für die Aufnahme von Kindern überwiegend aus Berlin bestimmt war. Es folgte 1908 die Gründung einer Krankenpflegeschule und 1908-1910 der EKH-Neubau mit 130 Betten in der Treskowallee in Oberschöneweide für Kinder und Erwachsene (Chirurgie, Innere). Am 8. Mai 1945 wurde ein Teil des Krankenhauses von der Roten Armee besetzt und dann als Lazarett genutzt. Im November 1945 erfolgte die Ausweisung der bisherigen Patient* innen.

Am Mittwoch besuchten wir das
Museum Berggruen in Charlottenburg, gegenüber vom Schloss in einem der beiden „Stülerbauten“, die 1851-59 als Offiziers-Kasernen der Gardes du Corps von Friedrich Wilhelm IV. von August Stüler erbaut wurden. In dem einen Gebäude war 1967 bis 2005 das Ägyptische Museum, in dem anderen 1960 bis 1995 die „westliche“ Antikensammlung , beide sind heute auf der Museumsinsel. In das Gebäude der Antikensammlung zog später die Sammlung von Heinz Berggruen ein. Der Sammler und Kunsthändler wurde in Wilmersdorf geboren und emigrierte 1936 in die USA, seine deutsche Staatsbürgerschaft wurde ihm entzogen. Er kämpfte im 2. Weltkrieg in der US Armee für die Befreiung Deutschlands. Er lebte danach als Kunsthändler in Paris bis er 1996 seine große Sammlung mit mehr als 100 Picassos, 60 Bildern von Paul Klee und 20 von Matisse der Stiftung Preußischer Kulturbesitz verkaufte und dann auch wieder selbst in Berlin lebte. Das Museum Berggruen beheimatet neben Picasso, Klee und Matisse auch Werke von Alberto Giacometti, Paul Cézanne und Georges Braque. Später spazierten wir noch durch Zilles Kiez zwischen Schlossstrasse und Klausener Platz. Eine Neuentdeckung für mich war der Ziegenhof in der Danckelmannstrasse. Ein Projekt, das 1982 auf einer Fläche gestartet wurde, die eigentlich für einen Neubau im Block 128 „entkernt“ worden war. Heute leben dort Ziegen, Hühner und Bienen, es gibt Hochbeete, eine Kita und einen Spielplatz.
Übrigens haben wir eine praktische App der Berliner Tourismusorganisation visitBerlin entdeckt: „ABOUT BERLIN“. Ein gibt Routen und ein paar Informationen zu interessanten Orten in der Stadt, das Angebot wächst stetig.
Am Freitag fuhren wir zur
Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg. Das Konzentrationslager Sachsenhausen war das erste KZ, das durch einen SS-Architekten geplant wurde. Der SS-Architekt Bernhard Kuiper entwarf ein gleichseitiges Dreieck, in dessen Fläche sich das Häftlingslager, die Kommandantur sowie das SS-Truppenlager befand. Hierhin wurden zwischen 1936 und 1945 etwa 200.000 Häftlinge aus ca. 40 Nationen deportiert. Erst politische Gegner des NS-Regimes, dann in immer größerer Zahl Angehörige der von den Nationalsozialisten als rassisch und/oder sozial minderwertig erklärten Gruppen, also Juden, Homosexuelle, Sinti und Roma, weiterhin Zeugen Jehovas und ab 1939 auch Menschen der von den Nazis besetzten Staaten wie Österreich, Polen, Frankreich oder den Niederlanden. Zu den Häftlingen gehörten der SPD-Politiker Rudolf Breitscheid, der Hitler-Attentäter Georg Elser, der Journalist Gerhard Löwenthal (ZDF-Magazin), der Verleger Peter Suhrkamp, der polnische Schriftsteller Andrzej Szczypiorski und Martin Niemöller (1938 bis 1941) als „persönlicher Gefangener“ Hitlers als einer von inhaftierten 230 Geistlichen. Niemöller schrieb später „
Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ Zu den Häftlingen gehörten auch protestantische Widerstandsfrauen aus den Niederlanden und mehrere tausend katholische Laien der französischen Résistance. Die Häftlinge wurden zur Zwangsarbeit in der Schneiderei, Tischler-, Schlosser- und Elektrikerwerkstätten eingesetzt oder ab 1942 in den über 100 Aussenlagern und -kommandos bei den Heinkel-Werken in Oranienburg, der Veltener Maschinenbau oder bei Berliner Industriebetrieben wie Siemens, DEMAG-Panzer, Henschel-Werke Berlin, Daimler-Benz, I.G. Farben und AEG sowie BRABAG Schwarzheide. Zehntausende Häftlinge starben an den Folgen von Hunger und Gewalt im KZ. Arbeitsunfähige wurden in Sammeltransporten nach Auschwitz transportiert oder vor Ort ermordet. Es gab so absurde Dinge, wie eine Schuhprüfstrecke: Hier testeten Häftlinge Sohlenmaterial für die deutsche Leder- und Schuhindustrie, dazu mussten sie bis zu 40 Kilometer täglich auf verschiedenen Wegoberflächen marschieren. Im August 1941 wurden über 12.000 sowjetische Kriegsgefangene in einer neu eingerichteten Genickschussanlage getötet, ab 1942 gab es eine Gaskammer. Die Räumung des KZ Sachsenhausen durch die SS begann am 21. April 1945. Die verbliebenen 33.000 Häftlinge wurden in Gruppen zu 500 auf den
Todesmarsch nach Nordwesten geschickt. Ab August 1945 wurde das Gelände des KZ Sachsenhausen von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) als „Speziallager Nr. 7“ genutzt, es wurden Sozialdemokraten, NS-Funktionäre und Gegner der neuen politischen Ordnung interniert. Ende 1945 war das Lager wieder voll belegt (12.000 Personen), 1946 mit bis zu 16.000 Personen, unter ihnen der Schauspieler Heinrich George, der hier auch 1946 starb. Die DDR schloss das 1948 in „Speziallager Nr. 1“ umbenannte Lager im Jahr 1950 als letztes der Speziallager, es wurden ca. 8000 Häftlinge entlassen, eine kleinere Gruppe in die Sowjetunion transportiert. Der Besuch hinterlässt mich wieder erschüttert, was Menschen anderen Menschen antun, wenn es in eine für sie nachvollziehbare Ideologie eingebettet ist. Der Besuch macht mich auch wieder nachdenklich, warum es immer wieder solche Menschenverachtung gibt, Menschen so viel Hass oder emotionale Kälte entwickeln können.