In der letzten Woche unternahmen wir noch zwei größere Touren. Die eine führte uns zum jüdischen Friedhof Weißensee und weiter durch Weißensee, die andere entlang Erpe/Mühlenfließ vom S-Bahnhof Friedrichshagen nach Dahlwitz-Hoppegarten. An den anderen Tagen waren wir mal morgens mal im Heiligen See schwimmen, genossen unsere Terrasse oder es standen Routinen wie Friseur oder Physiotherapie an. Außerdem bereitete ich mich ein wenig auf die nächste Reise vor: Am Samstag geht’s nach Brüssel. Ich bin schon beunruhigt, dass die Covid-19-Infektionszahlen nicht nur bei uns, sondern vor allem auch in Belgien und Frankreich gerade wieder ansteigen. Zum Glück habe ich nach der nächsten Reise auch wieder gut zwei Wochen Zeit zu Hause. Das hat sich ja bisher zum Schutz meines Umfelds ganz gut bewährt. Meine Zugverbindungen habe ich auch wieder so gewählt, dass ich hoffe, dass es nicht allzu voll ist.
Der jüdische Friedhof Weißensee besteht seit 1880, er wurde eröffnet, weil der alte jüdische Friedhof an der Schönhauser Allee langsam voll wurde. Entsprechend der jüdischen Tradition werden Gräber nämlich nicht wieder belegt, sondern sie gelten bis zum Jüngsten Gericht als Begräbnisflächen. Der jüdische Friedhof Weißensee ist etwa 1,0 km lang und 500 m breit, mit 42 Hektar der flächenmäßig größte erhaltene jüdische Friedhof Europas, es gibt fast 116.000 Grabstellen. Die Anlage des Friedhofs sowie die meisten Gebäude gehen auf den Entwurf des Architekten Hugo Licht (1841– 1923) zurück. Der Haupteingang an der Herbert-Baum Straße wie auch die Friedhofsmauer sind im Stil der italienischen Neorenaissance aus gelben Ziegeln erbaut. Es gibt außerdem zwei zweigeschossige Flachbauten, darin Friedhofsverwaltung und Archiv, links daneben das Taharahaus für die Leichenwaschung, dazwischen Arkadengänge und die Trauerhalle. Die Gräber sind in 120 gitterförmigen Grabfeldern als Rechtecke, Dreiecke oder Trapeze angeordnet. Die Felder sind alphabetisch und mit Nummern gekennzeichnet, von A1 am Haupteingang bis P5 am südlichen Rand. Das Gelände des Friedhofs ist weitestgehend mit Bäumen bestanden, seit den 1970er Jahren steht der Friedhof unter Denkmalschutz. Erstaunlicherweise wurde er von den Nazis nicht geschändet. Wir gingen entlang der Aussenmauer des Friedhofs, hier gibt es sehr viele repräsentative Grabstätten und Mausoleen, aber auch in anderen Abteilungen fanden wir repräsentative Grabstätten. Einige der Monumente schufen renommierte Architekten wie Walter Gropius oder Ludwig Mies van der Rohe. Wir fanden die Grabstätte des KaDeWe Gründers Adolf Jandorf und der Eltern von Kurt Tucholsky: „Es tickt die Uhr. Dein Grab hat Zeit, drei Meter lang, ein Meter breit. Du siehst noch drei, vier fremde Städte, du siehst noch eine nackte Grete, noch zwanzig–, dreißigmal den Schnee – Und dann: Feld P – in Weißensee - in Weißensee.“ Die ab den 1980er Jahren angelegten Grabstätten befinden sich eher links vom Eingang und hinter der Trauerhalle.
Rund um Kreuzpfuhl und Weißem See entdeckten wir interessante Siedlungen an der heutigen Woelckpromenade - das Munizipalviertel. Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs die Gemeinde Weißensee schnell, da viele Berliner raus ins Umland zogen. Der Bereich am Kreuzpfuhl sollte neues Ortszentrum werden und erhielt die Bezeichnung Munizipalviertel. Als erstes entstand um 1910 das Gemeindeforum am Kreuzpfuhl mit Wohnhäusern. Die Gebäude an der Woelckpromenade 2 – 7 stammen vom Architekten Carl James Bühring. Zur Herausbildung eines neuen Zentrum für Weißensee und zur Erteilung des Stadtrechts kam es jedoch nicht. Die Gemeinde wurde 1920 in Gross-Berlin eingemeindet. Carl Woelck - der mit der Promenade- war übrigens der letzte Bürgermeister der Gemeinde Weißensee. An der heutigen Grundschule "Am Weißen See" Berlin-Weißensee fanden wir die verblichene Inschrift „Für Einheit und gerechten Frieden! Das Besatzungsstatut muss fallen.“ Das Schulgebäude wurde 1929-1931 als 8. Volkshochschule Berlin-Weißensee gebaut, zwischen 1946 und 1950 war hier das Rathaus Weißensee, aus dieser Zeit stammt wohl die Inschrift. Danach war es wieder eine Schule, die Grundschule wird gerade saniert.
An der Erpe war es landschaftlich sehr schön, das Tal steht seit 2003 unter Naturschutz. Ich konnte nicht rausfinden, weshalb speziell. Der Weg führt vom S-Bahnhof Friedrichshagen in der ersten Hälfte entlang der Erpe auf Wiesenflächen mit weiten Blicken, später verläuft er im Mischwald, vorbei an einer Gedenktafel für die Gräber der ehemaligen Besitzer von Schloss Dahlwitz, der Familie von Treskow und dann zum Lenné Park am und zum Schloss Dahlwitz selbst. Der Berliner Architekt Friedrich Hitzig hat das Schloss in den Jahren 1855/1856 für den Gutsbesitzer Carl von Treskow gebaut. Zu dieser Zeit bestand schon ein Landschaftsgarten, den Peter Joseph Lenné 1821 anlegen ließ. Der Turm am Schloss wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgestockt, so war das in Potsdam auch schwer in Mode zu der Zeit. Außerdem wurde das Schloss um einen Anbau mit einem als Atelier genutzten Saal und Küche an der nördlichen Seite erweitert. Seit Ende der 1940er bis 1997 war es ein Kindergarten, der ist heute gegenüber in der Nähe der Dorfkirche. Das Schloss wurde ab 2004 durch die Brandenburgische Schlösser GmbH (https://www.schloesser-gmbh.de/index.php) schrittweise für 2,7 Millionen Euro - sagt der rbb - saniert und dann verkauft, es ist seit 2019 in Privatbesitz.